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Wolf Haas

"Das Dings" und "das Ding"

VON ENGELBERT BROICH
Der WEG - 06.04.03

Selbst die Stehplätze in der "Kulturkirche Köln" wurden rar. "Ausverkauftes Haus", vermeldete Pfarrer Thomas Diederichs. Der Grund für das große Publikumsinteresse in der Lutherkirche Nippes hieß Wolf Haas. Der österreichische Schriftsteller las anlässlich des Literaturfestivals "lit.Cologne" aus seinem neuen Roman. "Das ewige Leben", so der Titel, bildet den Abschluss der Krimiserie um den kauzigen Grazer Privatdetektiv Simon Brenner. Der erwacht in der Landes - Nervenklinik "Puntigam Links" aus dem Koma. Zuvor hatte man ihm eine Kugel aus dem Kopf entfernt. Mit eher geringen Folgen. Obwohl, "der Sehnerv mag es gar nicht, wenn du ihm mit der Kugel kommst". Selbstmordversuch "Links hinein, wegen der Migräne" vermuten Arzt und Psychiater. Brenner weiß es besser. Jemand wollte ihn beseitigen. Langsam kommt die Erinnerung zurück. Die Ermittlungen führen den schweigsamen Ex - Polizisten weit in die eigene Vergangenheit. Damals beraubte er mit drei Polizeischul - Freunden eine Bank. Einer von ihnen war kurz danach tödlich verunglückt, der zweite nahm die Hausmeisterstelle im "ja, das heißt wirklich so" - "Arnold - Schwarzenegger - Stadion" an.

Doch der erweist sich bei Brenners Recherche als schlechter Freund. Er ist tot, erschossen. "Und er hat das Loch an der gleichen Stelle wie der Brenner.‘ Aber da gibt es noch den dritten Kumpel, mittlerweile zum Kripochef aufgestiegen. So beredt wie der Erzähler Brenners Erlebnisse mit dem Tabakladenverkäufer oder der wuchtigen, wahrsagenden Zigeunerin schildert, so eloquent und humorvoll gab sich auch der vortragende Haas auf dem Podium. Er drei Kapitel, und - "jetzt lass ich fünfzig Seiten aus, da passiert nicht viel" - ergänzte sie um Zusammenfassungen, Rückblicke sowie, entsprechend seinem Schreibstil, schweifende Assoziationen. Mit "Das ewige Leben" knüpft Haas an die vorausgegangenen Krimis an. Er erzählt spannend. komisch, ironisch bis sarkastisch, mitunter böse - gut. Seine Lust am lebendigen, freien Umgang mit der Sprache, sein typischer "Plappern - Stil", wirken ansteckend. Zugleich überzeugt der 42 - jährige Wiener mit verblüffenden, wundervollen Einfällen. Etwa wenn er den Verlauf des Schusskanals im Kopf mit dem Flusslauf der sich durch Graz schlängelnden Mur vergleicht.

Bevor abschließend Haas‘ verfilmter Roman "Komm, süßer Tod" auf die Leinwand kam, entlockte die Moderatorin Bettina Böttinger dem Autor mehr oder weniger Interessantes. Dabei erfuhr man den wichtigen Unterschied zwischen den von Haas gerne verwendeten Begriffen "das Dings" und "das Ding". Während der eine die Bezeichnung ersetzt, die "einem momentan nicht einfällt", ist "das Ding" laut Haas ein metaphysischer Begriff. "Es ist das interessantere Wort, kann für alles stehen. Es ähnelt einer Schleuse, man hat dadurch das Gefühl, dass man die ganze Welt versteht."

Er würde schon ganz gerne noch mal ein Buch schreiben, aber wahrscheinlich keinen Krimi. Sowieso stelle in seinen bisherigen Romanen weniger das "Krimitypische" das Hauptkriterium dar als vielmehr die Suche nach einer eigenen Erzählweise .,,Ich lese grundsätzlich Autoren, bei denen die Auseinandersetzung mit Sprache im Vordergrund steht." Etwa Jandl und Jellinek. Weiter erfuhren die Zuhörenden, dass der frühere Werbetexter Haas in einem "Bergkaff aufgewachsen ist. "Der Einzug des Fernsehens hat bei uns einen Kulturschock ausgelöst. Bis zu dem Zeitpunkt, wo ich Jimmy Hendrix mit den Zähnen Gitarre spielen sah, war ich der Überzeugung, dass die Welt in Ordnung ist." Keines seiner Bücher sei einfach so entstanden. "Ich habe immer alte Texte neu geschrieben, umgebaut, und mit neuen verbunden. Ich schreibe halt mal in die Irre und schaue hinterher, was ich gebrauchen kann. Es wird dann am besten, wenn ich mich nicht ans Konzept halte." Von Böttinger nach möglichen Schäden seines Besuchs eines katholischen Internats befragt, entgegnete Haas: ‚Der Hauptschaden ist, dass ich Schriftsteller geworden bin."

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