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Carola Stern / Eva-Maria Hagen

Kabale und Liebe in der Lutherkirche: Brecht und sein Verhältnis zum weiblichen Geschlecht

von HANS-WILLI HERMANS
Kölner Rundschau vom 5.2.2003

NIPPES. Der Pfarrer bekam gleich am Anfang sein Fett weg. "Sie sind ein typischer Pastor", blaffte ihn Journalistin Carola Stern entrüstet an. Dabei hatte Pfarrer Thomas Diederichs in der evangelischen "Kulturkirche", der Lutherkirche, eigentlich nur den "Abend über Bert Brecht" ankündigen wollen: Die Schauspielerin und Sängerin Eva-Maria Hagen und die Buchautorin und Journalistin Carola Stern sollten den Dichter aus weiblicher Sicht, "aus entgegengesetzter Richtung kommend" porträtieren.

Die Journalistin hat nämlich ein Buch mit dem Titel "Männer lieben anders" über das nicht eben unkomplizierte Verhältnis von Bert Brecht zu seiner Ehefrau Helene Weigel veröffentlicht, in dem sie beider Erwartungen an und Schwierigkeiten mit diesem Verhältnis gleichberechtigt darstellt. Auszüge daraus las Stern den gespannten Zuhörern im überfüllten Gotteshaus vor.

Dabei fiel gleich auf, dass die Autorin mit Genies verständnisvoller und pfleglicher umgeht als mit evangelischen Seelsorgern. Sie verschwieg durchaus nicht, dass Brecht schon in seinem frühen Selbstporträt "Vom armen B.B." eine recht lapidare Beziehung zu Frauen offenbart: "In meine leeren Schaukelstühle vormittags/Setze ich mir mitunter ein paar Frauen/Und ich betrachte sie sorglos und sage ihnen:/In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen." Nicht lange nach der Entstehung des Gedichts lernte der Bühnenautor die Schauspielerin Weigel 1923 in Berlin kennen - wobei Brecht allerdings schon verheiratet war und zusätzlich eine Geliebte unterhielt. Dieses Modell hielt Brecht bis zu seinem Tod im Jahre 1956 konsequent durch, und zwar mit wechselnder Besetzung, die einzige Konstante blieb Helene Weigel.

Eva-Maria Hagen hat als Sängerin natürlich insofern Glück, als sie für die widersprüchlichen und verqueren Charakterzüge Brechts kein Verständnis wecken muss. Aber selbstverständlich zeigen auch ihre Darbietungen eine persönliche Sicht des Menschen Brecht. Denn mit ihren sehr emotionalen Versionen von Brechts Liedern und Vertonungen seiner Gedichte unterläuft sie durchgängig des Autoren Forderung, Dichtung und Theater hätten das Publikum zu belehren und müssten deshalb eine Distanz zu den dargestellten Personen ermöglichen und die "Einfühlung" verhindern.

Selbst Liedern, die eigentlich die Entzauberung der Liebe vorführen möchte, ringt die Sängerin noch reichlich Gefühl ab. Dem Gedicht "Erinnerung an die Marie A." beispielsweise, in dem der Verfasser sich nicht mehr an das Gesicht seiner einstigen Geliebten erinnern kann, nur noch an die Wolke, die "sehr weiß und ungeheuer oben" war, als er das Mädchen "im Arm hielt." Die Zugabe zum Abschluss des Abends ist dagegen fast ausgelassen. Hagens einstiger Lebensgefährte Wolf Biermann habe das Lied für sie geschrieben: "Sieben Leben hat die Katze/Aber ich, ich habe acht/zeigt der Tod mir seine Zähne/Wird er an die Wand gelacht."

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